Was wäre wenn!

Wenn wir ehrlich sind….fahren wir viel zu wenig mit unseren Vorkriegsfahrzeugen. Ein klassischer Oldtimer ist eigentlich viel praktischer denn man kann sich einfach rein setzen und fahren. Also ein „heute ist gutes Wetter und ich fahr damit ins Büro“ ist ohne Probleme mit einem 60ziger Auto zu machen…..aber mit einem Vorkriegler?

Heute ist schönes Wetter und ich beschließe….ich fahre einfach mal ins Büro damit. Dumm nur ich habe einen Termin und muss Anzug und Krawatte an haben um den Gast nicht zu verschrecken. Wie guut das ich seit einigen Wochen einen Oldtimer-Renn-Overall habe und diesen nun drüber ziehen kann (Anzug darf ja nicht dreckig werden!)

Benjamine wird aus der Garage geholt und warum soll das nicht gehen und bin schon kurz davor ins Auto zu steigen da schallt es aus dem ersten Stock….Schatz du wolltest mich doch noch zu meinem Auto bringen das ich in der Werkstatt stehen haben. Mist….hab ich total vergessen bin gespannt wie meine Frau reagiert wenn sie mich nun im weißen Rennoverall und Helm sieht (eigentlich wollte ich ja unauffällig aus dem Haus).

Benjamin Typ B 1922

Sie kommt vom ersten Stock herunter und sieht mich…..das ganze wird quittiert mit einem „hast du heute frei?„. Nein sage ich ,ich fahr ins Büro und kleinlaut sage ich dann noch “ so wie immer“. Die Reaktion lässt nur kurz auf sich warten und ich erhalte ein „Du spinnst total“. Meine einzige Möglichkeit aus der Situation noch Souverän heraus zu kommen ist „soll ich Dich zu Deinem Auto nun bringen oder willst du laufen“.

Widerwillig und mit einem Kopfschütteln steigt sie mit mir in Benjamine ein. Diskussionen über Sinn und Unsinn meiner Aktion werden übrigens nicht zugelassen, „hey heute ist schönes Wetter“. Beim Händler im Dorf angekommen ist die Laune schon etwas besser und meine Frau sehe ich noch mit einem Kopfschütteln sich mit dem Werkstattmeister unterhalten, bei beiden kommen dann noch in ein schallendes Lachen raus was mich allerdings noch einmal kurzzeitig ein wenig verunsichert.

Der Weg der vor mir liegt ist schon ein Ding…denn es sind 57km EINFACH ins Büro. Das ist keine wirklich lange Strecke…aber ich muss durch München durch und auch muss man erst mal nach München kommen. Benjamin war bekannt das Sie diverse Langstrecken Rennen gewonnen haben, so wie Paris-Pyreneen-Paris das sie 2x gewannen (1922 und 1923). Immerhin ein Rennen das 2.000km lang war….was sind da schon 57km. Ok ich habe Berichte davon mit Bildern und ich muss zugeben Violette Morris (Werksfahrerin von Benjamin) sah ziemlich ramponiert aus, aber ich will ja nur 57 km fahren und nicht 2.000!

Auf meinem ersten Weg auf der Landstraße läuft Benjamine wie geschmiert und frisch wie ein junges Ding. Das hat mich wohl verleitet den viel schnelleren Weg über die Autobahn zu nehmen anstatt die Landstraße zu nutzen. 80 kmh ist die Mindestgeschwindigkeit auf der Autobahn und ich bin mir sicher wir schaffen sogar 85km.

Beim Auffahren auf der Autobahn geht alles(noch)gut…irgendwie sind heute schon alle weg, also kaum was los! Mit Topspeed gehts nun über die Autobahn und ich bemerke das der LKW der vorhin noch in weiter Ferne war mir deutlich näher kommt. Nach 5 Minuten ist er schon bedrohlich nahe….gut…ich schaffe es noch ein kurzes Stück Benjamine davon zu bewahren überholt zu werden (gut ein Stück Ehrgeiz war auch dabei…wer wird schon gerne von einem LKW überholt) in dem ich das letzte raus holen und der Autobahn Teil ist ja gerade noch 15 km zu fahren, das wäre doch gelacht wenn der mich überholt.

Irgendwann kann ich im Rückspiegel dann doch die fragenden Augen des LKW Fahrers erkennen. Es ist ein Mischung aus Freude und Fluch in seinen Augen zu sehen, auch kann ich noch einen funken Respekt erkennen, der aber dann schnell verflogen ist. Irgendwie fühle ich mich gerade nicht gut bin aber froh das er mich nicht übersehen hat, ich passe eigentlich perfekt unter seinen Kühler!

Nach weiteren 2 Minuten ist das Spiel vorbei und der LKW überholt mich. Kaum zu glauben wie viel Wind so ein LKW verursacht, das ist mir ehrlich gesagt noch nie aufgefallen (bin aber auch noch nie überholt worden von einem LKW). Der LKW ist gefühlte 5km Lang und 20 Meter Hoch (und brauch deswegen gefühlte 6 Stunden bis er an mir vorbei ist)….der Wind orkanartig und ich versuche meine Panik zu unterdrücken. Auch muss ich kämpfen das Benjamine noch auf der Straße bleibt…mein einziger Trost ist…sie bekommt Wind….viel Wind…für Ihre Kühlung ist das ja eigentlich optimal, oder?

Das LKW Spiel wiederholt sich bis zur Autobahnausfahrt dann 20mal und beim letzten gebe ich sogar Souveränes Lichtspiel wie wir LKW-Fahrer es ja untereinander so machen (er hat sich übrigens auch bedankt mit, Blinker rechts und Links).

Benjamine ist schon ziemlich heiß und ich merke das nicht nur meine Füße am Köcheln sind sondern in meinem Overall hat es mittlerweile 50 Grad und ich bin kurz davor das Ersatzkühlerwasser im Heck meines Fahrzeuges mal zu nutzen für eine Dusche, was aber meinen Zeitplan (ich hab Termine) völlig durcheinander bringen würde.

Nun kommt der Ring in München und ich muss feststellen das alle die vorhin nicht (mehr) auf der Autobahn waren schon da sind….und es geht nur noch stop and go. Da Benjamine keine übliche Kupplung hat (90 Jahre Entwicklungstufen sind an ihr spurlos vorbei gegangen)und deswegen ein vorsichtig Kupplung kommen lassen nicht möglich ist ,sondern Traktion oder eben nicht und deswegen das Teil wie vom Hafer gestochen jedes mal nach vorne springen lässt, hoppel ich so vor mich hin.

Die Fahrzeuge neben mir sind ziemlich amüsiert und ich bin mir nicht sicher ob das an meinem Auftritt mit Rennoverall liegt, am Auto oder eben an meiner Stop and Go Technik. Es gibt welche die Applaudieren oder halten ihren Daumen nach oben, ich kann aber auch einige entdecken bei denen ich „Spinner“ im Gesicht ganz deutlich erkennen kann.

Benjamine (und mir) wird jetzt langsam ziemlich warm (nein heiß), ja heute ist super Wetter… und nein… kein guter Tag für eine anstrengende Fahrt in einem 90 Jahre alten Vollcabrio mit einem gerade sich noch älter anfühlenden Fahrer. Im Auto hat es mittlerweile gefühlte 100 Grad, aus dem Kühler (und dem Overall) dampft es und so bin ich gezwungen eine Notpause einzulegen (Fahrzeug und Fahrer sind gerade in Not) und schaffe es gerade noch bis zu einer Tankstelle die mich erstaunt aufnimmt.

Während Benjamin draußen nun abkühlt kämpfe ich mich noch an den Tresen und bekomme noch krächzend „Wasser“ „kühles“ „schnell“ raus. Der Tankwart versteht die Situation und neben seiner erste Hilfe Aktion mit Wasser, ist er kurz davor denn Rettungsdienst anzurufen.

Nach 5 Minuten bin ich wieder ansprechbar und er fragt mich ob gerade ein Oldtimerevent hier in München sei. Ich trau mich ihm gar nicht zu antworten denn eigentlich fahr ich ja ins Büro. Ich nicke und sage ich sei auf den Weg dort hin. Viele würden wohl nicht kommen, sagt der Tankwart, es sei ja immerhin Mittwoch. Ich gebe zurück doch doch….es sind halt nur die Alten da…die die nicht mehr arbeiten müssen und hoffe er schluckt das.

Nach 20 Minuten fühle ich mich wieder einsatzfähig und werfe ein Blick auf Benjamine. Die macht auch keine Dampfzeichen mehr und so beschließe ich die Weiterfahrt anzutreten.

Die letzte Etappe geht nun besser…denn der Berufsverkehr ist nun endgültig vorbei und die meisten sitzen schon in ihren Büros (und irgendwie wünsche ich mir da wäre ich bereits schon).

Benjamine sprang übrigens einwandfrei wieder an und läuft brav bis wir ins Büro komme. Draußen sind die ersten die eine Raucherpause machen und ich versuche hier souverän vorwärts einzuparken. Meine Kräfte sind allerdings schon auf einem roten Level und so schaffe ich es nicht gerade einzuparken. Unauffälligkeit ist heute nicht meine Stärke und so bleibt mir nichts anders übrig nochmal, unter staunenden Publikum, neu hineinzufahren und nach (leider) 2 weiteren Versuchen stehe ich nun drinnen in der Parklücke und ernte Applaus.

Die Raucher scheinen ihre Raucherpause heute verlängern zu wollen und warten bis ich mich aus Benjamin rausgepuhlt habe. Irgendetwas scheint aber nicht zu stimmen denn ich sehe Schrecken in den Gesichtern (ein andere Gesichtsausdruck wäre mir lieber gewesen…ehrlich). Als ich aussteige merke ich das mein Overall ziemlich feucht ist und muss feststellen das Benjamine ein Gemisch aus Wasser und Öl im Fahrzeugraum wohl großzügig verteilt hat. Die Schuhe wäre noch das kleinste Problem dabei….aber der Overall an den Füßen ist voll von Lebenselexieren von Benjamine.

Ich warte bis die Raucher nun endgültig alle verschwunden sind, bis dahin mache ich mich geschafftig an Benjamines Motorhaube und tue so als ob ich noch was überprüfen müsste. Als alle weg sind schlängle ich mich aus dem Overall was mir fast nicht gelingt da meine Kräfte am Ende sind (ein Mischung aus Schütteln, drehen und winden schafft das Wunder)und bin froh das mich keiner sieht (stelle erst später fest das bereits alle im Haus am Fenster stehen)

Zu meinem erstaunen muss ich feststellen das die Idee mit dem Overall im Prinzip richtig war, nur hätte Teflon als einziges verhindern können das die Flecken nicht nur auf dem Overall befinden sondern auch darunter.

Die Anzughose ist praktisch ruiniert und ich weiß noch nicht wie ich das meinem Gast heute erklären soll. Es sieht ein wenig aus als ob ich heute auf der Stehtoilette ziemlich besoffen gewesen wäre und das zielen nicht funktioniert hätte (die Farbe der Flecken übrigens dazu stimmt zu meinem bedaueren). Bin kurz davor den Termin abzusagen…aber das geht nicht. Meine Taktik an diesem Tag ist übrigens, den Kunden nur am Schreibtisch zu empfangen und zu versuchen meine Schokoladenseite zu zeigen und eben den Hosenteil hinter dem Schreibtisch zu verstecken.

Natürlich kommt man im laufe des Gesprächs auch zum Auto denn Benjamin steht ziemlich präsent vor der Tür am Parkplatz. Stolz erzähle ich das sei meiner und erstaunt fragt mich mein Gast „und damit fahren sie wirklich ins Büro?“ und höre mich antworten wie selbstverständlich „natürlich“…es sei ja heute schönes Wetter!“ und ergänze dann noch schnell“ das mach ich öfters“